Rückblick auf die WTU Tagung 01.03.24 / 02.03.24 in Soltau


Von:  B. Hirseland / 12.03.2024 / 10:38



  • v.l.n.r. Walter Bücher, Burkhard Hirseland
  • Thomas Lohbeck, Vorsitzender WTU
  • Jost Grund, Obmann Sachverständige
  • v.l.n.r. Burkhard Hirseland, Markus Heineke (SPA), Christopher Schmitz (BA)
  • Referent Wolfgang Hoffmann

Rückblick auf die Fachtagung für Technik Werkstoff Umwelt 2024 in Soltau

Am 1. und 2. März 2024 trafen die technischen „Vorreiter“ sowie die Sachverständigen des norddeutschen Maler- und Lackiererhandwerks zur diesjährigen Fachtagung zusammen. Die Veranstaltung begann - anders als sonst - erst zur Tagesmitte. Der Vormittag war für die Delegiertenversammlung (Obermeistertagung) der nds. Maler- und Lackierer-Innungen reserviert. Mit dieser konzeptionellen Änderung der Tagung sollten doppelte Reisezeiten vermieden werden. Das neue Konzept wurde offensichtlich gut angenommen.

Warm, sparsam und zukunftssicher, mit diesen Zukunftsthemen hatte der Malerverband die Tagung überschrieben und zum fachlichen Austausch eingeladen.  Thomas Lohbeck, Vorsitzender des Ausschusses für Werkstofftechnik und Umwelt, führte in das Thema ein. Der erste Referent Christoph Sprengard vom Institut für Wärmeschutz, München beschäftigte sich mit der Frage, warum Wärmedämmung und Wärmepumpe zusammengehören. Er erläuterte die umweltpolitischen Ziele hinsichtlich Gebäudestrategie, Energieeffizienz und Klimaneutralität. Dabei steht der Umstieg auf  Treibhaus neutrale Energieträger im Vordergrund. Bei der Gebäudeklimatisierung werden sich die heutigen Verhältnisse künftig nahezu auf den Kopf stellen müssen. Die Energieträger Gas und Öl, die noch den größten Anteil bei der Wärmeerzeugung einnehmen, sollen künftig durch Strom ersetzt werden. Diese Umschichtung wird jedoch nicht ohne weiteres gelingen, denn die stromgespeisten Wärmepumpen oder auch Nah- und Fernwärme setzen künftig Niedrigtemperatursysteme voraus. Für das Jahr 2030 prognostiziert Sprengard 5 bis 6 Millionen Wärmepumpen und 15 Millionen Elektrofahrzeuge. Ab 2024 sollen jährlich 500 000 neue Wärmepumpen installiert werden.  Durch solche Elektrifizierung wird der Strombedarf künftig deutlich steigen. Elektrische Beheizungssysteme werden die Hauptlast des Strombedarfs in den Winter hinein verschieben. Die bisherige Stromerzeugung (fossil und nuklear) war hingegen relativ konstant. Das verändert sich mit der erneuerbaren Stromerzeugung. Damit das Stromversorgungssystem nicht zusammenbricht, müssen die Verbrauchsmengen künftig reduziert werden. Das heißt, die Gebäude müssen energieeffizienter  – sprich wärmegedämmt werden.

Die heutigen Wärmepumpen können nur mit relativ geringeren Vorlauftemperaturen arbeiten. Daraus folgt: Bei schlecht gedämmten Gebäuden kann die Heizlast mit den geringeren Vorlauftemperaturen nicht gedeckt werden. 

Je besser die Gebäudeeffizienz (Wärmedämmung) ausfällt, desto besser funktionieren die Wärmepumpen. 

Gebäude gelten als Wärmepumpen geeignet “nt-ready”, wenn ihre maximale Heizungsvorlauftemperatur 55°C oder weniger beträgt. Solche Gebäude müssen eine ausreichende Wärmedämmung der Gebäudehülle haben. 

Fazit: es braucht nicht nur Windräder und Solarzellen, sondern ein ganz anderes Energiesystem. Der Verbrauch von Strom muss minimiert werden.  Der Verbrauch von Strom muss flexibler werden. Die Gebäude sind Energieerzeuger und Energiespeicher. Die Wärmedämmung der Gebäude gilt als zweite Säule der künftigen Klimaschutzpolitik. Neben der Wärmepumpenoffensive bedarf es auch eine Wärmedämmoffensive.   Die Wärmedämmung macht unabhängig von ungewissen Energiepreisen, weil der Verbrauch sinkt und die Effizienz steigt. Sie unterstützt den Einbau von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden und sichert den Erfolg der Wärmepumpenoffensive ab. Der Heizbetrieb fällt flexibler und sparsamer aus. Guter Wärmeschutz ist unverzichtbar, um die Klimaschutzziele des Gebäudesektors durch den Einsatz von erneuerbaren Energien zu erreichen. Das sind die besten Argumente für Fassaden-Wärmedämmungen des Maler- und Lackiererhandwerks!

Dipl. Ing. Walter Bücher lag mit seinem Vortragsthema genau auf der Höhe der Zeit. Er beleuchtete die Neuerungen des Gebäude-Energiegesetzes 2024 und ging auf die Bundesförderung für effiziente Gebäude ein. So stellt er ein Update für Maler und Lackierer zusammen. Bücher gab einen Überblick über die Entwicklung des Wärmeschutzes in Deutschland ab 1976 bis heute und auch historische Einblicke und Gedanken zum Wärmeschutz. Nach dem neuen Gebäudeenergiegesetz gilt für das Anbringen einer Fassaden-Wärmedämmung der U-Wert von mindestens 0,24 W/m².K für Wohngebäude.  Der Zahlenwert hat sich gegenüber der älteren Gesetzesfassung nicht verändert, das heißt: keine Verschärfung für WDVS im Gebäudebestand. 

Nach der Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Gebäude Einzelmaßnahmen bestehen vielschichtige Fördermöglichkeiten. Für eine Fassaden Wärmedämmung beträgt der Zuschussanteil zurzeit 15%. Die Außenwand muss nach der Wärmedämmmaßnahme einen U-Wert von 0,20 erreichen. Neue Regeln betreffen auch die Vertragsgestaltung. Danach ist im Bauvertrag eine “aufschiebende Bedingung” oder eine “auflösende Bedingung” aufzunehmen, für den Fall, dass der Kunde keine Förderzusage bekommt. Damit trägt der Maler- und Lackierbetrieb das Ausfallrisiko alleine!  

 Dipl. Ing. Wolfgang Hoffmann wendet sich dem Thema Nachhaltigkeit im Malerhandwerk zu und wagt damit einen Blick in die Zukunft. Nachhaltig ist in und widerspiegelt den Zeitgeist der Gesellschaft. Künftige Anforderungen an Bauprodukte werden sich mit Nachhaltigkeit und Zertifizierung beschäftigen. Hoffmann stellt zunächst die EU-Taxonomie und Berichtspflicht heraus. Die Offenlegung der betrieblichen Ziele und die Einhaltung der Richtlinien wurden lange Zeit auf freiwilliger Basis abgewickelt. Das wird sich in der EU drastisch ändern. Taxonomie definiert, welche Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zu den Umweltzielen der EU leistet. Im Hintergrund steht die Lenkung privater Investitionen, um das Klimaziel für 2050 zu erreichen. Die Kriterien der Taxonomie werden insbesondere Finanzinstitute, Bauherren und Eigentümer, Investoren oder größere Unternehmen für sich nutzen. Schon heute existieren Vorgaben z.B. für Innenbeschichtungsstoffe (keine krebserregenden Inhaltsstoffe, Formaldehydgehalt kleiner 60 Mikrogramm pro Kubikmeter, Nachweis nach AGBB Schema). 

Die Zertifizierung von Gebäuden schließt sich an. Die Beweggründe dafür lauten: "Überzeugung, bessere Vermarktungsmöglichkeiten, Risikominimierung für Investoren etc. Die gesetzlichen Anforderungen in Richtung Nachhaltigkeit nehmen zu, damit wird Nachhaltigkeit allmählich zur Pflicht. Bereits heute bestehen zahlreiche Standards zur Zertifizierung. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Wolfgang Hoffmann zeigt Beispiele aus der Nachhaltigkeitskampagne des Handwerks auf und stellt den Nachhaltigkeitsnavigator „Handwerk“ heraus. Diese Plattform steht auch Maler und Lackierbetrieben zur Verfügung, um das Thema Nachhaltigkeit besser im Betrieb einzufügen und ein passendes Berichtswesen aufzubauen. Es gibt auch kritische Stimmen: das “Bürokratiemonster” wird damit noch größer! Zurzeit bleibt es für den Betrieb offen, Kosten und Nutzen abzuwägen.

Am Samstag übernahm Jost Grund, Obmann der Sachverständigen, die Moderation. Herr Donath beleuchtete den Wandel der Zeit für die Silikattechnologie. Dabei stellt er die besonderen Eigenschaften und Vorzüge der 2K Silikatbeschichtungsstoffe heraus besonders für die Denkmalpflege. Herr Donath hatte den Vortrag kurzfristig übernommen, als Ersatz für Herrn Aschl, Technischer Leiter im Hause der Beeck‘ schen Farbwerke.

Frau Dip. Ing. Heike Böhmer vom Institut für Bauforschung Hannover zeigte auf: erhöhte bauliche Anforderungen und neue Schäden aufgrund des Klimawandels. Sie ging auf verschiedene Bauschadensberichte und Schadensstudien der Versicherungswirtschaft ein und leitete Zukunftsszenarien ab. Wetter- und klimabedingte Gebäudeschäden nehmen zu, insbesondere durch Sturm und Hagel. Sie plädierte für Risiko angepasstes Bauen und resümierte: nicht darauf warten, sondern klug handeln!

Künstliche Intelligenz im Maler und Lackierbetrieb, damit setzte sich Jakob Stöver IT-Architekt auseinander. Er gab einen Einblick in dieses Teilgebiet der Informatik, welches sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und maschinellen Lernens befasst. 

Er ging auf die sogenannte generative KI ein. Damit können auf scheinbar professionelle und kreative Weise vielfältige Ergebnisse produziert werden, wie z.B. Bilder, Videos, Audio Text 3D Modelle etc. Er gab gleich mehrere "Kostproben" für unsere Berufspraxis: 1.  die Bilderkennung für Schadensfälle, 2. Informationsbeschaffung per Chat GPT zum Algen- Thema, 3. Informationsbeschaffung per Microsoft Azure Open AI. Zur Vorbereitung hatte Herr Hirseland verschiedene technische Dokumente zur Verfügung gestellt. KI beantwortete einen “bunten Strauß” daraus gestellter Fachfragen und formulierte eigene Texte. Dieser KI-Einblick hat allen Zuhörern Spaß gemacht, praktische Anwendungen in der Berufspraxis erkennen lassen und die Gewissheit bestärkt, ohne eigenen Fachverstand geht es (noch) nicht!


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